Die Buchvorstellung war durchaus
ungewöhnlich: in einem typischen Berliner Salon – private Umgebung, etwa 50
geladene Gäste, darunter einige Journalisten, Kirchenvertreter, Künstler,
Lobbyisten, Politiker. Doch was Sabatina James zu erzählen hatte, stand in
krassem Widerspruch zu ihrem fröhlichen Wesen und der
freundschaftlich-familiären Wohnzimmeratmosphäre. Ihre Themen sind Folter,
Entführungen, Mord – alles im Namen des Islam. Die 28-Jährige weiß, wovon sie
redet: Sie wurde zwangsverheiratet, erlebte in Koran-Schulen, wie Kinder zu
“Gotteskriegern” im Namen Allahs erzogen wurden, und wurde nach ihrer Bekehrung
zum Christentum von ihrer Familie mit dem Tode bedroht. Darüber hatte sie
bereits 2004 ein Buch veröffentlicht. In ihrem neuen Werk geht sie einen Schritt
weiter: Sie beschreibt verschiedene Fälle, in
denen muslimische Frauen von ihren Männern oder Familien unterdrückt, gefoltert
oder sogar getötet werden. Sie berichtet von Kindesentführungen und einem für
westliche Ohren nicht nachvollziehbaren “Ehrenkodex”. Die
Beispiele stammen aus der Beratungspraxis ihres Vereins “Sabatina e. V.”, mit
dem sie muslimischen Frauen in Not und verfolgten Christen hilft: in
muslimischen Ländern, aber vor allem auch in Deutschland und Österreich. Dabei
flechtet sie immer wieder auch Erlebnisse und Erfahrungen aus ihrem eigenen
Leben ein.
Sabatina James stellt sich nicht als Heldin
dar. Im Gegenteil: Sie beschreibt offen, wie sie mit ihrem
Temperament und ihrer Unbefangenheit manchmal auch weniger hilfreich ist als
geplant. So berichtet sie, wie sie zum Beispiel bei einem Besuch in Pakistan
durch ihr sehr vehementes Auftreten und ihre offene Aussprache nicht nur sich,
sondern auch die Frauen in Gefahr bringt, denen sie eigentlich helfen möchte.
Auch Frauen, denen sie in Deutschland hilft, die sich dann aber doch nicht aus
ihrer Familien lösen können, geht es hinterher nicht unbedingt besser. Sabatina
James beschreibt ihre Enttäuschung über eine solche Frau in ihrem Buch so: “Ich
hatte Sohaila nicht begreiflich machen können, dass der Kampf an sich schon ein
Gewinn war.” Das mag politisch so sein, aber so manche Frau, die diesen Kampf
nicht zu gewinnen vermag, dürfte das hinterher anders sehen. Trotzdem: Wer will
es Sabatina James nach ihren Erfahrungen verdenken? Sie ist eben keine
aalglatte Religions-Lobbyistin, sondern sie ist emotional, impulsiv und im
wahrsten Wortsinne betroffen. Sie bringt sich selbst mit ihren Aktionen in
Lebensgefahr, und so kommt sie zu Aussagen wie: “Es ist besser, für die
Wahrheit zu sterben, als für nichts zu leben.”
Auch gibt Sabatina James durchaus zu,
dass sie nach ihrer Abkehr vom Islam und ihrer Hinwendung zum christlichen
Glauben zunächst einmal eine andere Seite der westlichen Freiheit kennen
gelernt hat: Sie hat sich – wie sie schreibt – zu aufreizenden Fotos verleiten
lassen, die irgendwann für sie überraschend in der österreichischen
Boulevard-Presse erschienen sind. Für sie ein heilsamer Schock, der sie
hoffentlich von derartigen Verlockungen künftig fern hält. Allerdings hat diese
Episode, die sie immerhin recht offen in ihrem Buch schildert, problematische
Nachwirkungen. Ihre Kritiker – vor allem von muslimischen Verbänden –
versuchen, mit diesen Geschichten ihre Glaubwürdigkeit als konvertierte
Christin zu untergraben. Denn für die organisierte muslimische Lobby ist
Sabatina James und ihr Engagement ein Stachel im Fleisch.
Ihre Beispiele klingen zum Teil unglaublich
brutal. So erzählt sie von der Deutsch-Libanesin Amina, die von ihrer
Schwiegermutter mehrfach zur Abtreibung gezwungen wurde, weil sie zu westlich
aufgewachsen sei und damit keine muslimischen Kinder erziehen solle. Erst habe
ihr Vater sie und ihre Schwester misshandelt, später ihr Mann. Dieser habe sie
mehrfach mit dem Kopf gegen die Wand geschlagen, so dass sie auf einem Ohr
nicht mehr hören könne. Sie musste mit einem Strick um den Hals stundenlang auf
einem Stuhl stehen. Schließlich gelang ihr die Flucht. Doch dieser Fall endet –
wie viele, die Sabatina James beschreibt – anders als gedacht: Trotz Anzeige
bei der Polizei verlaufen Ermittlungen und Gerichtsverfahren im Sande. Die
betroffenen Frauen halten dem Druck der Familie nicht Stand, ziehen ihre
Aussagen zurück oder verstricken sich in Widersprüche, weil sie trotz ihrer
Vorwürfe immer wieder sagen, sie würden ihre Eltern und Familien lieben. Für
die Ohren deutscher Sozialarbeiter, Beamter und Richter klingt das
unglaubwürdig. Sabatina James beschreibt die Zerrissenheit der muslimischen
Frauen zwischen enger Familienloyalität, Ehrenkodex und Glaubenstreue, und
andererseits einer gewaltsamen Unterdrückung und Folter.
Aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen mit einem Gerichtsverfahren,
das ihre Eltern gegen sie angestrebt haben, hat sie ein tiefes Misstrauen
gegenüber westlichen Behörden und der Justiz. In ihrem Buch klingt das immer wieder
an. Haarsträubend das Beispiel der Deutsch-Jordanierin Faizah. Von ihrem Mann
und dessen Familie in Jordanien mit ihrem Kind festgehalten, hilft ihr die
Deutsche Botschaft nicht bei der Flucht nach Deutschland, obwohl sie die
deutsche Staatsbürgerschaft hat. Begründung: Nach dem islamischen Recht müsse
ihr Mann die Ausreise genehmigen. Mit Hilfe von Sabatinas Verein, gelingt
Feizah immerhin die Flucht nach Saudi-Arabien. Auch dort hilft die deutsche
Botschaft nicht, im Gegenteil: Sie informiert die örtlichen Behörden. Daraufhin
wird Faizah festgenommen und nach Jordanien ausgewiesen. In ihrem Buch macht
Sabatina James keinen Hehl daraus, was sie von dem Verhalten der deutschen
Behörden hält (“Ich schrie vor Wut”). Sie nennt auch Namen, die sie für
verantwortlich hält und zitiert sogar aus dem Schreiben des
Menschenrechtsbeauftragten des Bundestages, des FDP-Politikers Markus Löning,
das sie nach eigenen Worten sehr enttäuscht. MAS EN www.somoselespectador.blogspot.com